Schau mir in die Augen, Kleiner
Schon klar, jetzt denkst du gleich an Humphrey Bogart oder an Ingrid Bergman. An die legendäre Abschiedsszene, an Herzschmerz, Liebe und Romantik. Vielleicht werden sogar deine Augen ein bisschen wässrig, wenn du an den wohl berühmtesten Liebesfilm der Welt denkst. Dieser Beitrag handelt allerdings nicht von Casablanca, aber Abschiedsszene und Herzschmerz stimmt schon ein bisschen. Der Verursacher dieser Gefühlswallungen ist allerdings nicht der gute alte Humprey, sondern Leo. Oder Fabio. Oder Haiti. Überhaupt alle süssen Vierbeiner, die mich mit ihren Kulleraugen so zuckersüss anschauen und mir jedes Mal den Abschied schwermachen. Jetzt mal ganz ehrlich: Wer kann da widerstehen?
Natürlich hast du richtig festgestellt, dass mein letzter Beitrag schon eine Weile zurückliegt. Du hast dich vermutlich gefragt, ob die Städterin schon genug hat vom Bergbauernleben. Ob sich das Bürofräulein schon zu schön ist, um in die Stiefel zu steigen und im Mist zu waten. Ob die Unterländerin etwa die winterlichen Temperaturen scheut und sich lieber in die warme Textstube zurückzieht. Falsch, falsch, falsch. Nichts von alledem ist richtig. Tatsächlich hatte ich in den letzten Wochen aus beruflichen und privaten Gründen nicht mehr so viel Zeit, in den Stall zu gehen oder mit Leo meine Runden zu ziehen.
So ein Schelm!
Aber so gross war die Sehnsucht dann schon, dass ich hin und wieder Stallluft geschnuppert habe. Und Leo? Der kommt inzwischen selbständig zu mir hoch, wenn ich im Bergoffice bin. Echt wahr. Dann sitze ich jeweils vor meinem Mac und haue fleissig Sätze in die Tasten, bis ich plötzlich ein leises Winseln vernehme. Anfangs dachte ich noch, dass mir mein sehnsüchtiges Unterbewusstsein einen Streich spielt, aber heute weiss ich: Leo ist da. Und wenn ich die Tür öffne, legt er seinen Kopf schief (siehe Foto oben) und schaut mich mit seinen Knopfaugen an, als würde er sagen: „Na, gehen wir eine Runde spazieren? Sonst kann ich auch gerne zu dir reinkommen. Ja, schon klar, das darf ich eigentlich nicht. Denn ich bin ein Hofhund. Meine Aufgabe besteht darin, den Hof zu bewachen und anzugeben, wenn sich jemand nähert. Deshalb wohne ich in meiner Hundehütte und darf nirgends rein. Sonst würde ich mich nämlich zu wohl fühlen und gar nicht mehr rausgehen wollen. Zum Glück weiss ich, dass du meinem Blick nicht widerstehen kannst. Und bevor du etwas sagen kannst, bin ich schon drin. Siehst du, so schnell kann es gehen. Oh, schön warm ist’s in deiner Stube. Ich leg mich mal hin. Ist das okay für dich? …“ (siehe Bild ganz oben).
Wuff … äh … uff!
So läuft das hier oben. Und wenn er dann mal drin ist, dann bleibt er, das kann ich dir sagen. Wenn ich ihn zum Gehen auffordere, legt er sich auf den Boden, macht einen auf Statue und bewegt sich keinen Wank mehr. Meine einzige Chance ist dann, die Schuhe anzuziehen, ihn auf einen Spaziergang zu locken und in Windeseile die Tür hinter mir zu schliessen. Meistens brauche ich dafür gefühlt 10 Anläufe. Das ist ganz schön anstrengend, kann ich dir sagen.
Trotzdem fällt mir der Abschied von Mal zu Mal schwerer. Denn wer kann diesen Blicken widerstehen. Neuerdings springt Leo sogar meinem Auto hinterher, wenn ich losfahre. Jetzt mal ganz ehrlich: Würdest du da einfach kalten Herzens Richtung Grossstadt davondüsen können? Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken und ein Tränchen zu verdrücken? Eben.