25
Mrz
2022
60

Hallo, süsse Fabia!

Fabia ist das jüngste Kälbchen in Maria’s Stall. Ihre Mama, Fauna, hat es am 15. März 2022 mit 32 Tagen „Verspätung“ zur Welt gebracht. Bei der Geburt wog die süsse „Kleine“ stolze 69 Kilogramm. Nein, nein, ich habe mich nicht vertippt. Ich schwör’s. 69 Kilogramm – das muss man sich mal vorstellen. Ein Baby, das einiges mehr wiegt als ich selbst. Zu meinen Aufgaben in der Abendschicht gehört es, Fabia ein weiches Strohbettchen für die Nacht herzurichten. Ja, sicher, diese Aufgabe mag ich sehr. Allerdings ist der Job nicht so herzig, wie er klingt.

Fabia bewohnt ein kleines Stallabteil zwischen dem Kälberabteil und einem Abteil mit vier Kühen. Ich darf dann jeweils das von Fabia verbrauchte Stroh aufgabeln und zu den Kälbern rüberwerfen. Dabei muss ich achtgeben, dass ich die aktuell acht frei zirkulierenden Kälber nicht mit Stroh bewerfe. Warum? Weil sich die Strohhalme in ihrem Fell einnisten und verkleben. Das leuchtet ein. Trotzdem ist die Aufgabe schwieriger, als sie vielleicht klingen mag. Denn die Kälber lieben es, sich mit Stroh bewerfen zu lassen. Darum kommen sie ganz nah an Fabia’s Abteil heran, sobald ich die Gabel in die Hand nehme. Kaum habe ich die Schelme verjagt und bei Fabia einen Strohhaufen aufgegabelt, nähern sie sich ganz verschmitzt wieder. Schwups, Ladung rübergeworfen und bestimmt hält einer wohlig seinen Schädel unter die Strohdusche. Noch während ich mit dem Schlawiner schimpfe, schupst mich Fabia von hinten. Ich wende mich wieder ihr zu. Sie schaut mich spitzbübisch an und springt dann garantiert genau dorthin, wo ich den nächsten Strohhaufen aufgabeln möchte.

Wenn ich schliesslich schweissgebadet das Stroh zu den Kälbern befördert habe, ist der Job noch nicht erledigt. Nun muss ich Fabia davon überzeugen, sich zur Tür zu begeben. Dort halte ich sie fest, damit Johann durch das Loch in der Decke frisches Stroh vom Heustock hinunterwerfen kann. Wieder ist es wichtig, dass – dieses Mal Fabia – kein Stroh abbekommt. Bei ihr ist es vor allem wegen dem Staub, der ihre noch empfindlichen Schleimhäute reizen könnte. Ich halte sie also fest, bis der Strohregen versiegt ist. Das klappt recht gut, denn Fabia ist empfänglich für Streicheleinheiten und lässt sich damit wunderbar ablenken. Nun gilt es, das frische Stroh in Fabia’s Abteil zu verteilen. Logischerweise muss ich sie dafür loslassen. Kaum habe ich sie aus der Umklammerung befreit, springt sie wie eine Verrückte im frischen Stroh herum oder anders ausgedrückt – sie «macht s’Chalb». Wenn du das einmal erlebt hast, wirst du die Herkunft dieser Redewendung nie wieder vergessen. Mit viel Geduld gelingt es mir, das Stroh gleichmässig zu verteilen, während Fabia um mich herumtollt.

Wenn du jetzt aufatmest und denkst, dass mein Job damit erledigt ist, danke ich dir für deine Empathie. Aber du liegst du falsch. Denn nun gilt es noch, überschüssiges Stroh aus Fabia’s Abteil aufzugabeln und damit auch ihrer Mama ein Strohbett zu bereiten, damit diese mit ihrem grossen Euter weich liegen kann. Dafür muss ich die Tür zu Fabias Abteil öffnen, Stroh aufgabeln und über den Gang zu Fauna werfen, ohne dass ihr Töchterchen die Gelegenheit nutzt, das Leben ausserhalb des Abteils zu erkunden. Dafür habe ich zwei Strategien:

1. Ich öffne die Tür, gable Stroh auf, gehe aus dem Abteil raus und schliesse mit irgendeinem Körperteil die Tür, weil ich ja keine Hand frei habe.

2. Ich öffne die Tür, gable Stroh auf, behalte Fabia im Auge und werfe das Stroh blitzschnell zu Fauna, deren Platz sich auf der anderen Seite des Ganges befindet.

Meistens bevorzuge ich die erste Strategie, denn Fabia scheint geradezu darauf zu lauern, die nur wenige Sekunden lang geöffnete Tür stinkfrech für einen Ausflug in die Erwachsenenkuhwelt zu nutzen. Aber so läuft das nicht, Mädchen!

Phu, kleine Kälber sind mindestens so anstrengend wie kleine Kinder. Eigentlich hätte ich das ja hinter mich gebracht. Aber eben. Das Stallleben hat mich gepackt. Wenn ich dann noch frisches Wasser in Fabias Trog gefüllt und die Tür zu ihrem Reich geschlossen habe, sieht sie mich mit ihrem treuherzigen Blick ganz unschuldig an (siehe Foto). Dieser Blick geht zu Herzen und entschädigt für die Mühen. Gute Nacht, süsse Fabia!

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