1
Jan
2022
48

Blasen oder Handarbeit?

Ha, erwischt! Wusste ich es doch, dass du auf den zweideutigen Titel anspringst. Der Titel sollte allerdings lediglich deine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ganz nach dem Motto: Sex sells. Solche Kniffe trichtere ich dem Texternachwuchs regelmässig ein. Die Sache ist allerdings die: Dieser Blog handelt vom Heuen. Aber wenn du schon einmal bis hierher gekommen hast, kannst du auch gleich weiterlesen.

Heuen bedeutet hier oben auf rund 1300 m ü M Schwerstarbeit. Die Hänge sind steil, die Sonne brennt gnadenlos und das gemähte Heu ist so glitschig wie eine Eisfläche. Trotzdem mag ich die Arbeit mitten in der Natur, im Team und mit einem gemeinsamen Ziel: Am Abend muss das Fuder im Trockenen sein. Komme, was wolle. Ans erste Mal erinnert man sich bekanntlich immer: Am 28. Juni 2021 gegen 10.30 Uhr nehme ich bei wolkenlosem Himmel erstmals den Rechen in die Hand und schicke mich an, das gemähte Gras zusammenzurechen. Der Hang ist steil. Fast schon senkrecht, finde ich. Ich rutsche auf dem geschnittenen Gras. „Das kann doch nicht so schwer sein“, sage ich mir. Ich ramme die Schuhsohlen in die Erde und überlege mir kurz, ob Anseilen eine Option wäre.

Immer schön von oben nach unten ziehen. Jeder Grashalm zählt – da ist Maria streng. Ein liegengebliebener Grashalm ist nichts, aber auf die gesamte Fläche könnte da einiges zusammenkommen: „Eine komplette Mahlzeit für ein Kalb“, sagt Maria. Aha. Weiter geht’s. Der Schweiss rinnt mir den Nacken hinunter. Mir ist schon nach einer halben Stunde nach einer Pause zumute. „Bloss nicht schwächeln“, lautet mein Motto. Trotzdem atme ich innerlich auf, als wir Mittagspause machen. An meinem rechten Daumen gedeiht eine Blase. Anfängerinnenpech. Am Nachmittag geht’s weiter. Die Sonne brennt. Es gibt noch viel zu tun und jeder schöne Tag wird von früh bis spät zum Heuen genutzt. Maria’s Sohn kommt zum Helfen vorbei. Er arbeitet ja eigentlich bei einem anderen Bauern, scheint aber Mitleid zu haben mit der Städterin. Mit einem schweren Blasgerät auf dem Rücken springt er den Hang hoch und runter. Als wäre es das Einfachste der Welt, bläst er innert kürzester Zeit das Heu zu Haufen zusammen. Ich kann nur noch den Rechen ins Korn werfen und zuschauen. Da mühe ich mich stundenlang mit Handarbeit ab und er ist in wenigen Minuten fertig. Grml.

Maria lädt die zu Maden angeordneten Heuhaufen auf den Muli. Die Sache scheint gelaufen zu sein, denke ich erleichtert. Schön wär’s. Jetzt geht’s erst richtig los. Kenner schaudern beim nächsten Begriff zusammen: Nachrechen. Der Hang scheint noch steiler zu sein. Mit dem riesigen Rechen im Schlepptau trotte ich dem Muli hinterher. Jeder Grashalm zählt. Meine Oberschenkel glühen. Rauf und runter, rauf und runter. Wie viele Höhenmeter ich wohl heute bewältigt habe? Dagegen ist eine Bergwanderung ein Sonntagsspaziergang. Nach 18.00 Uhr muss ich Forfait geben. Für den ersten Tag reicht’s. Ich spüre jeden Muskel, aber auch eine tiefe innere Zufriedenheit. Zuhause angekommen gönne ich mir eine erfrischende Dusche, reibe mich – auf Marias Empfehlung – mit Pferdesalbe ein und lasse mich kurze Zeit später in die Federn sinken.

2 Responses

    1. Erica Sauta

      Lieber Zuppi
      So cool – herzlichen Dank fürs Kompliment. Deine Website habe ich stante pede als Lesezeichen hinzugefügt. Die schaue ich mir gerne genauer an. Der erste Eindruck: Top!
      Schneeflockengrüsse
      Erica, Hobby-Bäuerin

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