5
Jun
2022
44

Alpauffahrt

Den Sommer verbringen Maria’s Milchkühe auf der Alp dil Plaun auf 1962 m ü M – zusammen mit den Milchkühen anderer Bauern. Und einem Stier. Was für ein Leben. Friede, Freude, Eierkuchen. Deshalb schmeckt der Alpkäse so himmlisch nach Friede, Freude und … naja. Am besten selber probieren.

Bei Gemeinschaftsprojekten übernimmt jeweils ein Bauer bzw. eine Bäuerin die Projektleitung. Der „Chef Alpaufzug“ hat grünes Licht gegeben. Der Schnee auf der Alp ist geschmolzen, das Gras gewachsen und die Weiden sind eingezäunt (mit meiner Hilfe, notabene, siehe Fotobeweis).

Nun verlassen Diana, Flöckli, Luna und wie sie alle heissen also den Stall und werden mit dem „Shuttle“ auf die Alp gebracht. Maria und die anderen Bauern freut’s. Verständlich. Für eine kurze Zeit wird der Alltag etwas entspannter. Aber nur für kurze Zeit. Denn schon bald steht Heuen auf dem Programm. Das ist ein Riesenkrampf hier oben an den steilen Hängen (siehe Blogbeweis). Die Tage starten zwar später, enden aber erst dann, wenn das Heu im Trockenen ist. Der Monat Juli heisst übrigens auf Romanisch „Fenadur“, was so viel heisst wie Heumonat (kleiner Wissenseinschub). Aber natürlich startet die Arbeit schon im Juni. Dieses Jahr hat mir Maria eine Kompetenzerweiterung in Aussicht gestellt. Ich darf mal den Bläser ausprobieren. Das sollte ich hinbekommen. Hoffe ich wenigstens. Item. Eigentlich war ich ja bei den Kühen.

Des Bauern Freud ist der Städterin Leid, besagt eine alte Städterinnenregel. Natürlich war mir klar, dass der Tag X irgendwann kommen würde. Natürlich gönne ich den Kühen ihr Traumleben auf der Alp. Natürlich freue ich mich für die Bauern. ABER: Der Abschied tut weh. Bis im September werden die Kühe auf der Alp sein. Bis im September kein Ausmisten, kein Tätscheln, kein Schupsen, kein Glockenbimmeln, kein Ärmel Schlecken, kein Muhen, kein Rumtollen, keine frische Kuhmilch mehr. Keine Baby-Kälbli, keine Lumpis, keine Lunas, keine Flöcklis mehr. Einfach nur ein leerer Stall.

Der Alpaufzug hier oben ist eher unromantisch. Die Kühe werden im Anhänger auf die Alp transportiert. Trotzdem ist es ein eindrückliches Spektakel. Ein Traktor mit Anhänger nach dem anderen fährt die Strasse hoch und aus dem Anhänger erklingt vorfreudiges Muhen. Marias Kühe machen beim Einsteigen ein bisschen Theater. Vielleicht, weil sie sich nicht von mir trennen wollen? Ha ha ha. Kleiner Scherz am Rande. Dann sind alle drin und los gehts. Anschliessend bittet mich Maria, den Gang im Stall zu wischen. Auch das noch.  Es fühlt sich seltsam an. Alles ist ruhig, leer, öde, einsam, still, wie ausgestorben. Doch da – plötzlich ertönt ein vertrautes Geräusch. Die schwarze Katze, deren Name mir immer noch entfallen ist, kommt in den Stall und miaut kläglich. Am liebsten würde ich in ihr Klagelied einsteigen. Aber das scheint mir dann doch etwas gar abwegig zu sein. Deshalb klage ich still in mich hinein, während ich das übriggebliebene Heu und Futterreste wegwische. An Luna’s leerem Platz kullert mir eine Träne über meine Wange. (Okay, das war jetzt etwas übertrieben, aber ich brauchte einen emotionalen Schluss.)

 

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